Im BAG-Urteil vom 09. Mai 2023 – 3 AZR 226/22 war zu klären, ob der Klägerin neben der Betriebsrente aus einer Zusatzversorgungskasse weitere Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zustehen.
Die Klägerin war seit 1986 bei der Beklagten, der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, beschäftigt.
Im Jahr 1991 trat die „Treuegeld-Verordnung“ in Kraft, die ein dienstzeitabhängiges Treuegeld im Ruhestand gewährte (im Folgenden „Treuegeld-VO“). 1993 vereinbarten die Parteien im Rahmen der Änderung des Dienstvertrages, dass eine zusätzliche Altersversorgung gemäß jeweils „geltendem Recht der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens“ gewährt wird.
Im Jahr 1994 trat die „Verordnung über die Treuegeldgewährung an kirchliche Mitarbeiter als Kirchliche Altersversorgung“ (im Folgenden „VKAV 1994“) in Kraft. Diese wurde durch die „Ordnung über die Kirchliche Altersversorgung“ (im Folgenden „KAV 1997“) zum 01. Januar 1997 ersetzt. Ergänzend erließ die Landessynode der Beklagten im Jahr 1996 das „Kirchengesetz über die Zusatzversorgung der kirchlichen Mitarbeiter“ (im Folgenden „ZVG 1997“).
Mit Außerkrafttreten der VKAV 1994 wurde die Klägerin entsprechend dem ZVG 1997 bei der Zusatzversorgungskasse (im Folgenden „EZVK“) versichert. Gemäß § 5 des Dienstvertrages richteten sich die Ansprüche aus der bAV damit ausschließlich nach den jeweils geltenden Satzungsbestimmungen der EZVK.
Im Jahr 2019 schied die Klägerin altersbedingt aus dem Dienstverhältnis aus. Seitdem erhält sie eine monatliche Betriebsrente aus der EZVK, anfänglich in Höhe von 242,56 €. Bei Fortgeltung der Treuegeld-VO hätte sie nur eine Altersrente in Höhe von 168,96 € erhalten.
Die Klägerin forderte ein zusätzliches Treuegeld von anfänglich 94,53 € mtl., welches sich aus den bis zum Ablösezeitpunkt auf Grundlage der Treuegeld-VO erdienten Anwartschaften ergäbe. Unter Berücksichtigung einer jährlichen 1%-Dynamik gemäß § 20 KAV 1997 forderte sie ab 2020 ein Treuegeld in Höhe von 98,51 € mtl. Aus Sicht der Klägerin war die Treuegeld-VO nicht wirksam abgelöst worden, da ihre dort erdienten Anwartschaften nicht als „Startgutschrift“ überführt worden seien. Sie rügte insoweit einen Eingriff in erdiente Besitzstände.
Arbeits- und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.
Auch das BAG verneinte eine zusätzliche Leistungspflicht. Es stellte fest, dass die VKAV 1994 durch die KAV 1997 und das ZVG 1997 wirksam abgelöst wurde. Diese Ablösungen führten nicht zu Eingriffen in ihre Anwartschaften.
Die Klausel im Dienstvertrag (§ 5), wonach die jeweils geltenden kirchenrechtlichen bAV-Bestimmungen maßgeblich sind, sei als dynamische Verweisung (sog. „Jeweiligkeitsklausel“) auszulegen. Diese Jeweiligkeitsklausel ist zulässig und auch sachgerecht. Denn im Zweifel möchte ein Arbeitgeber seine bAV nach einem einheitlichen Versorgungssystem an alle Mitarbeiter gleichermaßen erbringen und dieses System darf nicht erstarren. Eine statische Bezugnahme hat das BAG nicht festgestellt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind inhaltliche Änderungen an Versorgungsregelungen nach den Grundsätzen von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Diese Grundsätze wurden bei Eingriffen in Versorgungsrechte durch das dreistufige Prüfungsschema konkretisiert (ständige Rechtsprechung seit BAG 17. April 1985 – 3 AZR 72/83). Danach müssen die Gründe des Arbeitgebers umso gewichtiger sein, je schwerwiegender die Eingriffe in die bAV-Anwartschaften sein sollen. Die kirchenrechtliche Ausgestaltung der vorliegenden Versorgung steht der Anwendung dieser Grundsätze nicht entgegen.
Die Ablösungen der Versorgungsregelungen griffen weder in den bis zum Ablösungszeitpunkt von der Klägerin erdienten Teilbetrag noch in eine bis dahin erdiente Dynamik oder in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse ein. Es liegt schon kein Eingriff in die erdiente Dynamik vor, da die VKAV 1994 einen Festbetrag pro anrechnungsfähiges Dienstjahr vorsah und nicht etwa auf dienstzeitunabhängige Faktoren (z.B. dem Endgehalt) abstellte.
Ein Eingriff in künftige dienstzeitabhängige Zuwächse liegt ebenfalls nicht vor. Ohne Neuregelung hätte die Klägerin aus der VKAV 1994 nur eine Versorgung 163,61 € erreicht; also deutlich weniger als die tatsächliche Altersrente von 242,56 €.
Da die Klägerin somit eine weit höhere Altersrente erhält, bedarf es für die Wirksamkeit der Ablösung keiner Gründe im Sinne des Prüfungsschemas. Allein entscheidend sei, ob die Neuregelung bei Eintritt des Versorgungsfalls mindestens die gleichen Versorgungsleistungen gewährt, die die Klägerin aus den abgelösten Versorgungsregelungen erhalten hätte.
Zudem ist unerheblich, ob eine „Startgutschrift“ aus der VKAV 1994 aus den erdienten Anwartschaften zum Ablösezeitpunkt hätte gebildet werden müssen. Das BAG stellte klar, dass aus der VKAV 1994 keine Anwartschaften mehr fortbestanden, sodass es auch keiner Anpassung oder Dynamisierung bedurfte.
Schlussfolgerung:
Das BAG bestätigt mit seiner Entscheidung seine ständige Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Ablösung vertraglicher Einheitsregelungen mit kollektivem Bezug und insbesondere die Allgemeingültigkeit seines dreistufigen Prüfschemas bei Änderung von bAV-Zusagen. Um rechtliche Komplikationen zu vermeiden, sollten Arbeitgeber bei geplanten Änderungen von Versorgungsregelungen sicherstellen, dass keine faktischen Verschlechterungen ohne hinreichende Rechtfertigung erfolgen.
Dynamische Verweisungsklauseln in Versorgungsregelungen sind ein zulässiges Mittel zur Wahrung flexibler bAV-Zusagen, sofern sie wirksam formuliert sind.
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