Seit 2023 ist die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene gesetzliche Altersrenten aufgehoben. Arbeitnehmer können nun bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze die gesetzliche Rente sowie Einkommen aus Voll- oder Teilzeitarbeit in beliebiger Höhe beziehen. Zudem besteht ggf. die Möglichkeit, die Betriebsrente vorzeitig zu erhalten. Für Arbeitgeber Anlass genug, sich mit dieser Neuregelung auseinanderzusetzen.
Hintergrund:
In der gesetzlichen Rentenversicherung regeln Hinzuverdienstgrenzen, wie viel Rentenbezieher zusätzlich zur gesetzlichen Rente verdienen dürfen, ohne dass diese gekürzt wird. Seit 2023 gelten solche Grenzen nur noch für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Bis Ende 2022 unterlagen auch vorgezogene Altersrenten diesen Grenzen. Höhere Hinzuverdienste führten somit zu niedrigeren Teilrenten. Im Rahmen des Corona-Sozialschutzpakets wurden die Grenzen für 2020 und 2021/2022 zunächst von 6.300 EUR auf zuletzt 46.060 EUR erheblich angehoben, um zu vermeiden, dass ältere Beschäftigte aufgrund der Pandemie vermehrt vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Zum 01.01.2023 wurde die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene gesetzliche Altersrenten durch das 8. SGB IV-Änderungsgesetz aufgehoben. Seitdem können Rentenbezieher unbegrenzt hinzuverdienen, was die Kombination von Rente und Teil- oder Vollzeitarbeit attraktiver macht. Ziel der Neuregelung ist es, mehr Flexibilität beim Übergang in den Ruhestand zu schaffen, um dem Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Bezug zur Betriebsrente:
Gemäß § 6 BetrAVG haben Beschäftigte einen gesetzlichen Anspruch auf vorzeitige Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung (bAV), wenn sie eine gesetzliche Altersrente (Vollrente) nachweisen und „alle sonstigen Leistungsvoraussetzungen“ erfüllen. Nach dem Regierungsentwurf zum 2. Betriebsrentenstärkungsgesetzt (2. BRSG) könnte künftig auch eine gesetzliche Teilrente ausreichend sein, schließlich ist auch für diese die Hinzuverdienstgrenze entfallen. Leistungsvorbehalte wie das Ausscheiden aus dem Unternehmen oder die Anrechnung von Erwerbseinkommen zählen nach herrschender Ansicht zu den „sonstigen Leistungsvoraussetzungen“. Gesetzlicher und vertraglicher Anspruch müssen nicht übereinstimmen. Die vertragliche Regelung hat Vorrang vor dem gesetzlichen Anspruch, da § 6 Satz 1 BetrAVG dem Arbeitgeber Gestaltungsspielraum einräumt. Ob eine vorzeitige betriebliche Altersleistung im bestehenden Arbeitsverhältnis mit gesetzlicher Rente und Arbeitseinkommen kombiniert werden kann, hängt demnach vom Inhalt der Versorgungsregelung ab.
Steuerrechtlich sind betriebliche Altersleistungen nach Vollendung des 62. Lebensjahres (60. Lebensjahres bei Zusagen vor 2012) im bestehenden Beschäftigungsverhältnis anerkannt (BMF-Schreiben vom 18.03.2022).
Handlungsbedarf für Arbeitgeber:
Arbeitgeber sollten sich über ihre Position zur gesetzlichen Neuregelung und den Einfluss des Fachkräftemangels im Klaren sein. Es gilt, personalpolitische Ziele, wie die Bindung von Fachkräften, zu definieren und bestehende sowie neue betriebliche Versorgungssysteme daraufhin zu analysieren und gegebenenfalls anzupassen. Das Zusammenspiel von Weiterbeschäftigung und vorzeitiger Altersleistung ist detailliert zu betrachten und mit den Unternehmenszielen abzustimmen. Um Konflikte mit Versorgungsberechtigten zu vermeiden, sollte der Bezug einer vorzeitigen Altersleistung während der Weiterbeschäftigung klar geregelt sein. Eine Ausscheideklausel kann den Arbeitgeber von der Neuregelung entlasten, während der Verzicht darauf dem Fachkräftemangel im Betrieb ggf. entgegenwirken könnte. Anrechnungsregelungen könnten sinnvoll sein, um Doppelbelastungen aus Altersleistungen und Gehaltszahlungen zu minimieren.
Wenn der Arbeitgeber den Parallelbezug von Gehalt und vorzeitiger betrieblicher Altersleistung zulassen möchte, sind Fragen zur Dotierung und Finanzierung der bAV und zum Entgeltumwandlungsangebot sowie ggf. versicherungstechnische Aspekte zu klären, da es bei der Weiterbeschäftigung dann in der bAV zur Überschneidung von Leistungs- und Anwartschaftsphase kommt.
Zudem ist ggf. zu prüfen, ob bei externen Versorgungsträgern, wie Versicherungsunternehmen sowie Unterstützungs- und Pensionskassen, Anpassungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Satzungen und sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich sind. Unterstützungskassen dürfen aus steuerlichen Gründen nur satzungsgemäße Leistungen erbringen, wenn die Voraussetzungen des Leistungsplans erfüllt sind. Das bedeutet häufig, dass Versorgungsberechtigte aus dem Unternehmen ausgeschieden sein müssen. Um die Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG zu vermeiden, sollten die Versorgungsregelungen des Arbeitgebers mit den das Deckungsverhältnis regelnden Leistungsplänen der Unterstützungskassen übereinstimmen. Ähnlich ist die Problematik bei Pensionskassen, die laut § 232 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) erst nach Wegfall des Erwerbseinkommens leisten dürfen. Hier ist allerdings eine Anpassung im Rahmen des 2. BRSG vorgesehen, um die VAG-Definition nach der Gesetzesänderung zur Hinzuverdienstgrenze adäquat zu aktualisieren.
Bei der Versorgung von Gesellschafter-Geschäftsführern ist zu beachten, dass ein gleichzeitiger Bezug von unverändertem Gehalt und vorzeitiger Altersleistung steuerlich nicht anerkannt ist. Es muss eine Anrechnung erfolgen, da andernfalls eine verdeckte Gewinnausschüttung droht (vgl. BMF-Schreiben vom 30.08.2024).
Fazit:
Aufgrund der Attraktivität der gesetzlichen Neuregelung müssen Arbeitgeber damit rechnen, dass die gesetzliche Altersrente schon mit Vollendung des 63. Lebensjahres, ggf. mit Abschlägen, in Anspruch genommen und der Gleichlauf mit Weiterbeschäftigung und Bezug einer vorzeitigen betrieblichen Altersleistung angestrebt wird, ggf. auch durch Arbeitgeberwechsel. Wenn Arbeitgeber auf das geänderte Recht nicht reagieren, müssen sie ggf. hinnehmen, dass ihre Altersversorgungskosten deutlich steigen. Es gilt, den vom Gesetzgeber eingeräumten vertraglichen Gestaltungsspielraum zielorientiert zu nutzen.
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