Das BAG beschäftigte sich in dem Urteil vom 21.11.2023 mit der Frage, wie sich bei der Berechnung einer unverfallbaren Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung die erst nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz zum 01.01.2008 in Kraft getretene Änderung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Höhe der nach den §§ 2, 2a Abs. 1 BetrAVG aufrecht zu erhaltenden Anwartschaft auswirkt.
Der Fall:
Der im März 1955 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum 31. Dezember 1998 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Ihm wurden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, auf die die Rente aus der Sozialversicherung anzurechnen war.
Nach seinem Ausscheiden wurde dem Kläger ein unverfallbarer Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ab Vollendung des 65. Lebensjahres bescheinigt.
Seit dem 1. April 2018 bezieht der Kläger, der im März 2018 sein 63. Lebensjahr vollendete, gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte. Die Beklagte zahlte dem Kläger ebenfalls seit dem 1. April 2018 ein monatliches Ruhegeld, das dem Betrage nach geringer war als ihm bei Ausscheiden bestätigt wurde.
Der Unterschiedsbetrag beruhte zum einen darauf, dass nach § 2 Abs. 1 BetrAVG ein geringerer unverfallbarer Teilanspruch ermittelt wurde, da für die erreichbare Betriebszugehörigkeit auf die zum 1. Januar 2008 angehobene Regelaltersgrenze nach §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI abgestellt wurde, die beim Kläger bei 65 Jahren und neun Monaten liegt.
Überdies wurde bei der Berechnung des Ruhegeldes durch die Beklagte auch die anrechenbare fiktive gesetzliche Rente auf Grundlage des durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz angehobenen Regelrentenalters des Klägers hochgerechnet. Ein versicherungsmathematischer Abschlag wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme des Ruhegeldes vor Erreichen der Regelaltersgrenze wurde weder beim Kläger noch bei anderen vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeitern vorgenommen.
Der Kläger verklagte daraufhin seinen ehemaligen Arbeitgeber auf Zahlung eines höheren Ruhegeldes, da er die Ansicht vertreten hat, aufgrund seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes sei für die Berechnung seiner Anwartschaft die zum Ausscheidenszeitpunkt geltende Regelaltersgrenze von 65 Jahren zu berücksichtigen.
Die Entscheidung:
Das BAG gab dem Kläger Recht. Soweit im Rahmen der Berechnung einer unverfallbaren Anwartschaft sowohl für die Ermittlung der fiktiv erdienbaren Betriebsrente als auch im Hinblick auf eine anzurechnende gesetzliche Rente die feste Altersgrenze maßgeblich ist, ist nach der Entscheidung des BAG bei der vorliegenden Fallkonstellation – Ausscheiden vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes – auf die in der Versorgungsordnung feste Altersgrenze, der Vollendung des 65. Lebensjahres abzustellen.
Die Begründung:
Nach Rechtsprechung des 3. Senats ist eine bereits vor dem Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes bestehende Versorgungsordnung, die für den Eintritt des Versorgungsfalls auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellt, regelmäßig dahin gehend auszulegen, dass damit auf die jeweilige Regelal-tersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Bezug genommen wird (BAG, Urt. v. 15.05.2012 - 3 AZR 11/10 Rn. 47 ff.).
Ist der Arbeitnehmer jedoch bereits vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, bleibt die erst nach dem Ausscheiden erfolgte Anhebung der Regelaltersgrenze bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft nach den §§ 2, 2a BetrAVG wegen der Veränderungssperre und des Festschreibeeffekts nach § 2a Abs. 1 BetrAVG unberücksichtigt.
Dies gilt auch für anzurechnende anderweitige Versorgungsleistungen und für den Zeitpunkt, auf den diese im Zeitpunkt des Ausscheidens fiktiv hochzurechnen ist.
Maßgeblich für die fiktive Berechnung der anzu-rechnenden Sozialversicherungsrente ist damit das im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers geltende Sozialversicherungsrecht und somit die seinerzeit geltende Altersgrenze 65.
Ebenfalls ist ein versicherungsmathematischer Abschlag wegen des vorgezogenen Bezugs des Ruhegeldes nach Ansicht des BAG nicht zulässig. Diese Abschläge dürfen nur dann bei der Berechnung Berücksichtigung finden, wenn sie in der Versorgungsordnung ausdrücklich festgelegt sind oder aber eine Regelungslücke vorliegt. Von einer Regelungslücke kann dabei nur ausgegangen werden, wenn die Versorgungsordnung keinerlei Bestimmungen zur vorgezogenen Altersleistung enthält. In diesen Fällen könnte der sogenannte untechnische versicherungsmathematische Abschlag vorgenommen werden. Die hier betroffene Versorgungsordnung regelte aber die Höhe der vorgezogenen Altersleistung, sodass keine ergänzende Vertragsauslegung in Frage kam.
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